P.D. Ouspensky
Pyotr D. Ouspensky wurde 1878 in Moskau geboren. Er studierte Naturwissenschaften und machte sich schon in jungen Jahren einen Namen als Journalist und Autor. Von der exakten Wissenschaft ausgehend, findet er über die Mathematik den Weg zu alten östlichen Traditionen und bringt 1911 sein erstes Werk „Tertium Organum“ heraus, in dem er, fußend auf dem ersten Organum des Aristoteles und dem zweiten Organum von Bacon, eine neue Denkweise darstellt: die vierte Dimension oder das Erleben der Zeit als Raum. In seinem zweiten Werk „Ein neues Modell des Universums“ stellt er fest, dass es für den Menschen eine höhere Wirklichkeit geben muss und es Zeiten gab, in der diese höhere Wirklichkeit leichter zugänglich war. (aus: P.D. Ouspensky, Auf der Suche nach dem Wunderbaren)
Aufgerüttelt durch die äußeren Abenteuer und inneren Krisen seiner dramatischen Lebensreise, spürt Ouspensky den bohrenden Fragen des Daseins nach:
- Was ist der Mensch?
- Wozu ist er auf der Welt?
- Was ist Bewusstsein und was ist höheres Bewusstsein?
Die Suche nach einem neuen Weg
Er unternahm eine lange Reise, die ihn nach Ägypten, Ceylon, und Indien führte, und kehrte 1914 zu Beginn des ersten Weltkrieges nach Russland zurück.
Er erklärte selbst seine Reise auf folgende Weise: „ Ich befinde mich auf der Suche nach dem Wunderbaren [...] für mich hat das Wort eine ganz bestimmte Bedeutung. Schon vor langer Zeit war mir klar geworden, dass es aus dem Labyrinth von Widersprüchen, in dem wir leben, keinen Ausweg gibt, es sei denn, dass ein ganz neuer Weg gefunden werde, der mit allen bisher bekannten und benützten nichts gemein hat [...]. Schon damals war es für mich eine ausgemachte Tatsache, dass sich jenseits dieses dünnen Schleiers von falschen Realitäten eine Wirklichkeit befindet, von der wir durch irgendetwas getrennt sind. Das „Wunderbare“ bedeutete für mich das Eindringen in diese unerkannte Wirklichkeit [...]“.
Der Krieg holte ihn ein, doch er erkannte, dass seine Suche wichtiger war, als sich von den Wirren hineinziehen und der Massenhypnose anstecken zu lassen.
Er berichtet Folgendes über seine Reise: „Nach Zusammenfassung all meiner Eindrücke aus dem Osten [...] muss ich gestehen, dass sich bei meiner Rückkehr mein Problem noch schwieriger und komplizierter darstellte als vor der Abreise. [...] Ich erkannte klar: dort ist etwas zu finden, was seit langem in Europa zu bestehen aufgehört hat, [...] aber [...] das Geheimnis [ist] tiefer verborgen, als ich zuvor angenommen hatte.
Eine andere Art von Schule
Schon bei meiner Abfahrt wusste ich, dass ich nach einer Schule [...] fahnden würde. [...] Mir war klar, dass persönliche individuelle Anstrengungen nicht genügen, sondern ich mit der bestehenden, lebendigen Denktradition in Berührung kommen müsse“.
Durch seinen überragenden Intellekt analysierte er die für Laien verwirrende Frage nach den Schulen mit einer Klarheit, die bis zum heutigen Tag nichts an Gültigkeit verloren hat: „Nach einer Reihe von Begegnungen und Eindrücken war die Schulidee wirklicher und fassbarer geworden, hatte aber ihren phantastischen Charakter verloren“. [...]
Dass es Schulen gab, darüber hatte ich keinen Zweifel. Aber gleichzeitig reifte in mir die Überzeugung dass alle jene, mit denen ich in Berührung kam, nicht für mich geeignet seien. Es waren dies Schulen entweder religiösen oder doch halbreligiösen Charakters mit spezifisch frommer Färbung. Sie zogen mich nicht an. Wenn ich einen religiösen Weg gesucht hätte, so würde ich ihn auch in Russland gefunden haben. Andere Schulen wiederum waren von leicht sentimentaler, moralphilosophischer Artung, [...] es gab unter ihren Mitgliedern sehr nette Menschen, aber ich glaubte nicht, dass sie wirkliches Wissen hätten. Wiederum andere, gewöhnlich als „Yogaschulen“ beschrieben, fußten auf der Erreichung eines Trancezustands [...]. Ich konnte ihnen nicht trauen: alles was sie erreichten, war entweder Selbsttäuschung oder das, was die russischen Mystiker „Schönheit“ oder „Verzauberung“ nannten. Noch eine andere Art von Schulen gab es, [...] diese versprachen sehr vieles, forderten aber auch sehr vieles. Sie verlangten alles auf einmal.
Diese Schulen interessierten mich sehr [...], aber ich glaubte trotz allem, es müsse auch eine mehr rationale Art von Schulen geben“.
Begegnung mit G. I. Gurdjieff
Im April 1915 begegnete Ouspensky Georges Ivanovitch Gurdjieff, der ihn sofort zutiefst beeindruckte und ihm ganz ungewöhnlich vorkam. Er fühlte sich durch alles, was G.I. Gurdjieff sagte, sehr angesprochen: „Man wurde bei ihm durch eine große Einfachheit und Natürlichkeit beeindruckt, die einen vollständig vergessen ließ, dass er für uns der Vertreter einer Welt des Wunderbaren und Unbekannten war. [...] der Mangel jeglicher Affektiertheit oder der Sucht, Eindruck zu machen. Und dazu spürte man, dass er in nichts, was er tat, seinen Vorteil wahrnahm – eine vollständige Gleichgültigkeit gegenüber Annehmlichkeiten, Komfort und die Fähigkeit, sich bei keiner Arbeit zu schonen“.
Einmal sagte ihm Gurdjieff: „Alles, was die Menschen sagen, alles was sie tun, sagen und tun sie im Schlaf. All dies kann überhaupt keinen Wert haben. Nur Erwachen und was zum Erwachen führt, hat in Wirklichkeit einen Wert […]. Wie kann man erwachen? Wie kann man diesem Schlaf entrinnen? Diese Fragen sind die wichtigsten, lebenswichtigsten, denen je ein Mensch begegnen kann.“
Aus: „Auf der Suche nach dem Wunderbaren. Fragmente einer unbekannten Lehre“. Das Buch ist der Bericht von Ouspenskys achtjähiger Arbeit als Gurdjieffs Schüler. Es wurde 1949 – zwei Jahre, nachdem Ouspensky in London gestorben war – erstmalig, in englischer Sprache, veröffentlicht.
Bücher:
- Auf der Suche nach dem Wunderbaren, Scherz Verlag (1966, 1978)
- Vom Inneren Wachstum des Menschen. Eine psychologische Studie, Barth-Verlag (1965)