Julia Osipovna Ostrowska (1890? – 1926)
Julia Osipovna Ostrowska wurde ca. 1890 in Polen geboren. Sie heiratete Georges Ivanovitch Gurdjieff 1922. Er sagte von ihr, sie sei eine „’alte Seele’, die schon viele Leben gelebt hat.“ Von ihrer persönlichen Geschichte ist wenig bekannt. Sie war voller Hingabe, Ausgeglichenheit und von großer Autorität. In Gurdjieffs Ballet „Der Kampf der Magier“ war sie die Haupttänzerin. Außer ihrer Hauptrolle als Priesterin in den Heiligen Tänzen kümmerte sie sich in der Prieuré um Küche und Hauswirtschaft.
Als G.I. Gurdjieff 1924 bei einem Autounfall schwer verletzt wurde, kümmerten sie und seine Mutter sich hingebungsvoll um ihn. Nachdem er genesen war, stellte man bei Mme Ostrowska Krebs im Endstadium fest. Trotz Bestrahlungen verschlimmerte sich ihr Zustand zusehends. Georges Ivanovitch Gurdjieff unternahm unermüdlich große Anstrengungen, sie am Leben zu erhalten. Darüber erzählte er dem jungen Fritz Peters:
„Wäre sie allein, wäre sie schon lange tot. Ich halte sie am Leben mit meiner Kraft; das ist sehr schwierig. Aber genauso bedeutsam ist dieser äußerst wichtige Moment in ihrem Leben. Sie hat schon mehrere Leben gelebt, ist eine sehr alte Seele; sie hat jetzt die Möglichkeit, zu einer anderen Welt aufzusteigen. Aber die Krankheit ist gekommen und macht es ihr unmöglich, dies allein zu tun. Wenn ich sie einige Monate länger am Leben erhalten kann, dann muss sie nicht wieder zurückkommen und dieses Leben noch einmal leben“.
Mme Ostrowska starb im Juni 1926 und wurde in Avon, Frankreich, begraben unter dem großen Grabstein gegenüber dem Grab von Gurdjieffs Mutter.
Fritz Peters gibt eine ausführliche Beschreibung von Mme Ostrowska in seinem Buch Kindheit mit Gurdjieff: „Sie war eine große, schöne Frau und schien ständig präsent zu sein; sie bewegte sich fast lautlos in den Korridoren der Gebäude, überwachte die Arbeiten in der Küche, Wäscherei und die sonstigen Hausarbeiten. Ich wusste nie genau, wie viel oder welche Autorität sie hatte. Bei den wenigen Gelegenheiten, wo sie tatsächlich etwas zu uns sagte – was selten geschah –, stand es für uns außer Frage, dass ihr Wort Gesetz war. Ich erinnere mich, dass ich besonders fasziniert war von ihrer Art, sich zu bewegen. Sie ging ohne wahrnehmbare Kopfbewegung und ohne die geringste Erschütterung. Sie war niemals in Eile, aber gleichzeitig arbeitete sie mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Jede ihrer Bewegungen, ganz gleich, was sie machte, war absolut notwendig für die besondere Tätigkeit, die sie gerade ausführte.“
Katherine Mansfield war ebenfalls sehr angetan von ihr. Sie sagte, als sie sie als Priesterin bei einer Aufführung sah: „Wenn ich nur einen ganz kleinen Platz in dieser Gruppe hätte, wenn ich Mrs. Ostrowska mit über der Brust gekreuzten Armen gegenübersitzen könnte und die wundervolle Musik hörte, würde ich Mrs. Ostrowskas wundersame Arme im Gebet erhoben fühlen. Wie dankbar wäre ich dafür.“